Törnbericht A Coruña – Cascais

A Coruña – Cascais 342,0 sm

Der Wecker weckt uns um kurz vor 7 Uhr. Und das an einem Feiertag! Nun denn, wir wollen noch ordentlich frühstücken, bevor wir ablegen. Natürlich mit Ei, ist ja schließlich Tag der deutschen Ei(n)heit. Während wir uns auf das Ablegen vorbereiten, legt neben uns schon wieder der nächste Kreuzfahrer an. Was sind wir froh, wenn wir die riesigen, stinkenden und lärmenden Nachbarn bald los sind! Dummerweise ist es mal wieder komplett nebelig. Wir tasten uns daher erst einmal gaanz langsam in die Marina Coruña, um dort noch einmal aufzutanken. Für die nächsten Tage ist mal wieder Schwachwind angesagt und wir gehen davon aus, dass wir mindestens bis nach Lissabon motoren müssen. Zudem soll der Diesel in Portugal auch deutlich teurer sein. So tanken wir mal wieder 570 l nach und kommen so erst gegen Viertel vor Zehn los. Der Nebel hat sich zwar ein wenig gelichtet, aber auf einen entspannten Törn können wir wohl nicht hoffen. Wir haben uns entschieden den Empfehlungen der Orca-Experten zu folgen und auf möglichst schnellstem Weg in Wasser mit mehr als 1.000 m Tiefe zu fahren. Konkret bedeutet das, dass wir erst einmal etwas nördlicher als West fahren wollen, bis kurz vor das Verkehrstrennungsgebiet. Gesagt, getan und losmotort. Der Nebel bleibt standhaft und verdichtet sich teilweise so stark, dass man kaum vor die Bugspitze schauen kann. Dann kommt mal wieder die Sonne durch und alles ist gleißend hell. Fünf Minuten später wieder pottendichter Nebel und keine Sicht. In den Momenten, in denen es aufklart, sehen wir auch heute wieder zahlreiche Delfine und Bartenwale, vermutlich Sei- oder Minkewale. Es gelingt mir sogar einen zu fotografieren! Ein tolles Erlebnis, wenn nicht immer noch die Gefahr eines Orca-Angriffes drohen würde. Kurz bevor wir es ins tiefe Wasser geschafft haben – ich koche gerade Chili con Carne zum Abendessen – erwischte es uns dann doch tatsächlich. Erst sehen wir Unmengen an Seevögeln, dann schwarze Rückenflossen. Unverkennbar Orcas! Wir reagieren wie geprobt, Autopilot aus und Chili-Topf gesichert. Ein männlicher Orca, erkennbar an der typischen hohen, spitzen Rückenfinne, hält auf uns zu und dann rappelt es auch schon kurz am Ruder. Kaum spürbar und nur einmal und dann ist der Spuk zum Glück auch schon vorbei. Scheinbar ist La Ola nicht interessant und der Orca kehrt schnell zu seiner Gruppe zurück, die sich offenbar auf der Jagd nach Thunfisch befindet. An der Stelle befindet sich eine Art Unterwasserhang, an dem es schnell von 300 m auf über 1.500 m abfällt. Dort halten sich vermutlich gerne Fische und damit auch Orcas auf. Wir setzen unsere Fahrt noch eine Weile unter manueller Steuerung fort, werden aber zum Glück nicht weiter verfolgt. Die Steuerung ist noch intakt und auch die Ruderwirkung hat sich nicht verändert. Scheinbar sind wir noch einmal mit einem Schrecken davon gekommen, werden aber im nächsten Hafen einmal Tauchen und gucken gehen. Weiter geht es in südliche Richtung. Ich koche das Chili fertig und wir stärken uns gemeinsam für die Nacht. Später kommt noch ein kleiner Vogel ins Steuercockpit geflogen und setzt sich zutraulich zu uns. Wir könnten schwören, dass es der gleiche Vogel ist, der uns schon über die Biskaya begleitet hat! Wir vertreiben ihn allerdings mit Blick auf Lucky lieber für die Nacht wieder nach draußen. Ich bleibe bis 21 Uhr auf Ausguck, dann übernimmt Axel die erste Nachtwache und ich lege mich im Salon schlafen.

Axel lässt mich freundlich ein Stündchen länger schlafen und so muss ich erst um 1 Uhr nachts wieder raus aus den Federn. Pünktlich zum Wachwechsel steht auch Lucky laut maunzend im Salon und hört erst wieder auf, als wir gemeinsam auf der Steuerbank sitzen. Die Nacht verläuft ruhig, wenn auch im Blindflug. Dank dichter Wolkendecke und Neumond ist es tiefdunkel, lediglich ab und an wabern Nebelschwaden durch die Bordbeleuchtung vorbei. Wir navigieren mit Radar und AIS an der vielbefahrenen Nord-Süd-Route entlang und passieren einen Frachter nach dem nächsten. Um 4 Uhr wecke ich Axel und Lucky und ich dürfen aufs Salonsofa verholen. Dumm nur, dass Lucky scheinbar meint, ich würde zu laut schnarchen! Jedenfalls legt er irgendwann demonstrativ seine Pfote auf meinen Mund. Dann muss mal wieder mein Haar geputzt werden und es dauert eine Weile, bis Lucky wieder zur Ruhe kommt und wir wieder einschlafen können. Kurz darauf weckt mich Axel und ich kann den neuen Morgen begrüßen. Erst graut es langsam, dann färbt sich der Horizont an Backbord rosa-rot-vanillig. An Steuerbord zeigt sich ein schönes Stahlblaugrau. Kitsch as Kitsch can! Die See ist weiter ruhig und der Wind kaum wahrnehmbar. So kommen wir gut voran, was gut ist, dann uns sitzt das schlechte Wetter im Nacken. Obwohl wir eigentlich viel lieber jeden einzelnen Ría und jede Ankerbucht auf den Weg nach Portugal mitgenommen hätten, haben wir uns nun doch für die schnelle, ab und durch Variante entschieden. Bereits in den nächsten Tagen soll der Wind deutlich auffrischen und vom Atlantik her näher sich ein immenses Tiefdruckgebiet – aktuell noch als Hurrikan Kirk unterwegs – und dürfte für richtig schlechtes Wetter in Galizien und der Biskaya sorgen. Es soll sogar Auswirkungen bis in die Nordsee geben. Da man nie genau weiß, wie so ein Tiefdruckgebiet tatsächlich zieht, wollen wir möglichst weit von ihm weg, d.h. möglichst schnell in einen sicheren Hafen nach Süden. Da bleibt an der portugiesischen Küste leider nicht viel Auswahl, aber wir konnten zum Glück einen Platz für La Ola in Cascais reservieren. Mit Glück schaffen wir es noch vor dem einsetzenden Südwind dahin und sollten irgendwann am Samstag dort ankommen. Uns steht also noch eine weitere Nacht auf See bevor. Und durch Orca-Terrain müssen wir vor Cascais auch noch einmal. Puh! Irgendwie war die Segelreise von Deutschland an die Algarve beim letzten Mal entspannter. Allerdings sind wir da auch zwei Monate früher dran gewesen. Es wäre jedenfalls schön, wenn wir irgendwann auch mal ganz entspannt kurze Tagesetappen segeln könnten! Unser Routing erfolgt übrigens auf Empfehlung von der Webseite orcas.pt und seinem Betreiber Rui. Er meldet sich per Kurznachricht und gibt Empfehlungen wo man lang fahren sollte. Auch wenn es in unserem Fall nicht 100%ig funktioniert hat, hat er schon hunderten, wenn nicht tausenden Segler dabei geholfen, die Gefahr von Orca Angriffen zu umgehen. Das wir nun gerade kurz vor tiefem Wasser, auf einer Fläche von 100tausenden Quadratmetern Seegebiet auf eine Orca-Gruppe stoßen, ist wohl eher Zufall und Ausnahme. Für die Feinansteuerung von Cascais bekommen wir ebenfalls Tipps und Rui will sich bei uns melden, sollte sich die Situation vor Ort kurzfristig ändern. Der Tag verläuft ansonsten recht ereignislos. Wir funken mit Jens, der mit seiner Marieke ein paar Meilen hinter uns ist, machen abwechselnd ein Nickerchen, beobachten Wale (die Guten!), es fängt an zu regnen und der Wind nimmt zu. Dummerweise nicht so, dass am Segeln könnte, sondern direkt von vorne. Die See fängt an zu hacken und wir werden hin und her geschüttelt. La Ola reißt trotzdem brav Meile um Meile ab und wir nähern uns beständig unserem Ziel. Trotzdem, es bleibt ein Seetag zum Abgewöhnen! Gegen Abend zieht erneut Nebel auf und wir bereiten uns auf den nächsten Blindflug vor. Jens ist mit seiner Marieke inzwischen abgedreht und läuft Figuera da Foz an. Zu viel Wind und zu viel Gestampfe, so dass er nicht mehr voran kam. Wollen mal hoffen, dass er nicht zu lange dort bleiben muss und uns bald wieder einholt. Bei uns wird der Wind zum Abend hin zum Glück deutlich weniger und auch die See beruhigt sich etwas. Selbst die Sonne zeigt sich noch einmal und verabschiedet den Tag mit einem schönen Sonnenuntergang. Wir wollen die Unterwasserhügel von Aveiro und Figuera da Foz auf Anraten von Rui und mit Blick auf die Orcas mit großem Boden umfahren und erst dann zu den Ilhas Berlengo nach Osten einbiegen. Axel übernimmt wie gehabt die erste Wache ab 21 Uhr und ich lege mich im Salon schlafen.

Um Mitternacht übernehmen Lucky und ich die Wache und lavieren uns durch den Frachterverkehr hindurch. Da wir zu schnell sind, um im Hellen in flacheren Gewässer anzukommen, nehme ich ordentlich Gas weg. Allerdings bleiben wir selbst bei niedrigen Drehzahlen von 1.500 noch knapp 6 Knoten schnell. Nun denn, mal schauen, wie es am Ende passt. Um 3 Uhr übernimmt Axel wieder und weckt mich um kurz vor 6 Uhr, als wir unseren Wegpunkt vor den Ilhas Berlengas erreicht haben. Es ist noch stockenduster und so müssen wir abwägen, was wir machen wollen. Direkter Weg dicht an den Inseln vorbei und auf Höhe Peniche Wassertiefe von < 20 m erreichen? Vorteil: nur ca. 15 sm durch Orca-Spielwiese. Nachteil: auf dem Weg dorthin sehen wir einige Fische auf dem AIS und die Gefahr im Dunklen in ein Netz oder ein Fischerfähnchen zu geraten ist groß. Alternative, wir fahren erstmal so weiter und schauen, was wir im Hellen dann machen. So geht es weiter durch die dunkle Nacht bis endlich gegen 8 Uhr sich langsam ein Horizont aus der Schwärze herauskristallisiert, sich Meer und Himmel farblich voneinander trennen. Bis es richtig hell ist, vergeht noch eine Stunde und wir entscheiden uns auf direktem Kurs zum Cabo Raso weiterzufahren, da der Weg in flache Gewässer auch 15 sm weit ist. Dann lieber 25 sm und fast am Ziel sein. Die Taktik zahlt sich zum Glück aus. Wir sehen keine Orcas und können im Hellen den vielen Fischerfähnchen ausweichen, die sich die Küste entlang häufen. Der Tag entwickelt sich wettertechnisch mal positiv. Die Sonne kommt raus und wir fahren endlich mal wieder unter strahlend blauem Himmel. Lediglich über Land hängen tiefe Wolken und als wir uns endlich Cascais nähern zieht doch tatsächlich Nebel auf. Am Ende kommen wir gut in der Marina Cascais an und machen erst einmal am Anmeldesteg fest. Während Axel eincheckt, werde ich von Liliana und Matthis von der Troll begrüßt. Seit Cherbourg haben wir sie nicht mehr gesehen, aber natürlich trotzdem wiedererkannt. Schließlich können wir an unseren eigentlichen Liegeplatz verholen und liegen fast genau dort, wo wir bereits mit Hello World gelegen haben. Wir verzurren La Ola in der breiten Box ordentlich nach Backbord und Steuerbord, denn für die nächsten Tage ist ordentlich Wind angesagt. Der sorgt auch dafür, dass wir ein paar Tage länger hier bleiben werden, auch wenn das in Cascais – unter Seglern auch als CashCash bekannt – recht kostspielig ist. Aber der Ex-Hurrikan, der sich über den Atlantik annähert, sieht doch recht übel aus. Wenn die Windkarte >50 kn Wind und die Wellenkarte 9 m anzeigen, sollte man lieber im geschützten Hafen bleiben. Wir räumen La Ola auf und bringen erstmalig unsere Gangway an. So richtig toll ist sie allerdings nicht mehr. Einige Teile sind festgerostet und lassen sich erst mit WD40 lösen. Zudem fehlt eine Handreling. Nun ja, gibt Schlimmeres. Vom Steg aus können wir, dank des klaren Wassers einen Blick auf unsere beiden Ruder werfen. Beide sehen intakt und unangeknabbert aus. Puh, nochmal Glück gehabt! Abends bleibt die Bordküche heute kalt. Wir haben uns ein leckeres Essen in Fischrestaurant verdient und landen nach Empfehlung unserer Nachbarn vom Katamaran QI im Marisco na Praça. Dort genießen wir Thunfischtartar mit Avocado und Mango als Vorspeise und Meeresfrüchtereis mit Languste als Hauptgang. Beides superlecker! Zurück an Bord gibt es noch ein Glas Cava, bevor wir recht früh in unsere Betten fallen. Früh auch deswegen, weil wir hier eine Stunde hinter der gewohnten Mitteleuropäischen Sommerzeit sind.