Hafenbericht Huelva – Teil 1

Unsere Zeit in Huelva startet heiß! Für das Wochenende sind wieder über 35° C angesagt. Für uns geht es daher heute recht früh raus aus den Federn, um die etwas kühleren Morgentemperaturen zu nutzen. Zu Fuß machen wir uns auf dem Weg zum Markt. Es geht raus aus dem Hafengelände, durch einen kleinen Park und schon sind wir da. Nicht einmal 10 Minuten. Der Mercado del Carmen ist leider keine ausgenommene Schönheit, aber dafür überzeugen die inneren Werte! Während vor der Halle sich Warteschlangen an den Churro-Ständen bilden, gehen wir direkt hinein und durchwandern die zahlreichen Gänge. Es gibt hier alles, was das Herz begehrt. Insbesondere das Fisch- und Meeresfrüchteangebo ist umwerfend. In den Auslagen stapeln sich dutzende verschiedene Crevettenarten, Gambas, Langustinos und sogar Hummer. Im Stand daneben liegen riesige Thunfischköpfe und ebenso große Thunfischsteaks. Die Preise für die unterschiedlichen Thunfischstücke reichen von 8 bis 32 € pro Kilo. Da müssen wir zuschlagen. Wir erstehen zwei schöne Scheiben Thunfischfilet vom hiesigen Almadraba-Thunfisch. Almadraba bezeichnet sowohl die Netze als auch eine traditionelle Art des Thunfischfangs. Almadraba bedeutet dabei übersetzt so etwas wie „der Ort, an dem geschlagen und gekämpft wird“. Die mit große. Ankern am Meeresboden verankerten Netze wirken wie ein riesiges Stellnetz, in denen sich der Thunfisch sammelt. Die Fische werden dann von den Fischern aus den Netzen an Deck der Boote gehievt und dort getötete – früher mit Knüppeln erschlagen, heute schonender und schneller erstochen. Auch wenn das erst einmal brutal klingt, handelt es sich um eine recht nachhaltige Methode des Thunfischfangs, die – da recht stressfrei gefangen und getötet – Exemplare von besonders hoher Qualität liefert. Die Almadraba ist saisonbedingt, etwa von April bis Juli, also sind wir genau zur richtigen Zeit in Andalusien, um einen Teil dieser Leckerbissen genießen zu können. Die Almadraba-Netze machen es allerdings aktuell auch den Seglern auf dem Weg von der Algarve nach Gibraltar ein wenig schwerer. Sie reichen in einigen Fällen vom Land bis ins tiefe Wasser und müssen umfahren werden. Im tiefen Wasser sind vor den Netzen im Moment aber auch die Orcas unterwegs, da sie gerne auch etwas von den Thunfischschwärmen abbekommen möchten. Und wenn sie satt sind, nehmen sie dann leider die Ruder de Segler als spannenden Zeitvertreib ins Visier. Entsprechend viele Orca-Attacken gibt es hier in der Region deshalb. Auch wenn die Netze eigentlich von April bis November ausgebracht werden dürfen, verschwinden sie häufig bereits im Juli. Wer also ins Mittelmeer rein oder wieder raus will, hat von August bis März gute Chancen den Orcas zu entgehen, weil man dann in Wassertiefen von weniger als 20 m bleiben kann und keine Netze umfahren muss. Zurück zu unserem Markbesuch. Wir erstehen weitere Zutaten für leckere Thunfisch-Tacos und lassen uns von den Schinkenangeboten, Fleischauslagen und der Obst- und Gemüseauswahl begeistern. Schließlich geht es zurück an Bord, wo die Einkäufe erst einmal gut verstaut werden. Während Axel sich einem neuen 3D-Druck-Projekt widmet, fahre ich ein wenig mit dem Fahrrad durch die Gegend, bis es mir dafür zu warm wird. Ab mittags kann man eigentlich nur noch unbeweglich im schattigen Cockpit verharren und auf den einen oder anderen Lufthauch hoffen. Zum Abend nimmt der Wind wieder zu, so dass wir uns wieder bewegen und uns unseren Thunfisch-Tacos widmen können. Dazu haben wir Barbara und Peter eingeladen und verbringen erneut einen netten Abend zusammen.

Der Sonntag beginnt erneut früh und deutlich erfrischt. Der starke Wind hat kühle Nachtluft mitgebracht und wir haben morgens auch ohne Klimaanlage angenehme 20° C im Schiff. So sitze ich morgens leicht fröstelnd im Cockpit und wärme mich bei ein wenig Bord-Sport auf. Irgendwann pellt auch Axel sich aus der Koje und wir können gemeinsam ein schönes Sonntagsfrühstück genießen. Während Axel an Bord bleibt, nehme ich die Einladung von Barbara und Peter an, die Beiden nach Aljaraque zu begleiten. Dort findet aktuell eine Romeria, also eine Wallfahrt statt, die wir uns gerne einmal anschauen wollen. Nachdem wir in dem kleinen Örtchen selbst nicht fündig werden, schickt uns ein festlich gekleideter Spanier vor die Stadttore in ein kleines Wäldchen. Dort finden wir dann eine Art Zeltlager um die kleine Kirche Ermita de la Virgen de los Remedios vor. Um 11:30 Uhr herrscht hier noch wenig Action. Die Menschen sitzen vor den Zelten, die zahlreichen Pferde und auch Maultiere dösen im Schatten. Die Tiere sehen leider ziemlich erschöpft und lädiert aus. Viele haben offene Scheuerstellen von Trense und Sattel, liegen kurz angebunden im staubigen Sand. Kein schönes Bild und wir würden uns wünschen, dass die Tiere hier ein wenig mehr Aufmerksamkeit und Pflege auf der anstrengenden Pilgerfahrt erhalten würden. Wir laufen zur Kirche, aber wir sind zu früh dran, klärt man uns auch. Also fahren wir noch einmal auf einen Kaffee ins Städtchen zurück und kehren eine Stunde später wieder im Pinienwäldchen ein. Inzwischen ist die Kirche geöffnet und mit Musik und Blumengesteck marschieren die einzelnen Gruppen, sogenannte Bruder- oder Schwesterschaften, ein. Die Kirche ist bereits gut gefüllt. Die Damen fast alle festlich gekleidet mit Flamenco-Kleid, Fächer und der obligatorischen Blume im Haar. Es riecht nach Weihrauch. Die Gruppen geben ihre Insignien und die Blumen am Altar ab und dann wird gespannt nach Draußen geschaut. Angesichts des Heiligen Jahres unter dem Motto „Pilger der Hoffnung“, wird ein Kardinal oder Bischoff erwartet und der erscheint auch prompt im Kleinwagen. So ganz ist uns Dreien als Nicht-Katholiken der Unterschied zwischen Bischoff und Kardinal nicht ganz klar, aber der hohe Herr wird freundlich begrüßt, küsst erst einmal ein Kreuz und träufelt mit Weihwasser. Dann geht’s in die Kirche hinein und wir lassen die Gläubigen alleine. Inzwischen sticht die Sonne mal wieder und wir sind alle froh, als wir wieder in unseren schattigen Cockpits sitzen können. Axel und ich genießen zum Mittag erst einmal frische Feigen mit Iberico-Schinken. Leicht und lecker! Dann halten wir ausgiebig Siesta und lassen uns mit Wasserspray abkühlen. Wie angenehm! Zum Abendesse geht es leicht und lecker weiter. Es gibt Tomatensalat mit Thunfischresten von gestern. Mmhhh! Um 20 Uhr fahre ich dann noch einmal mit Barbara und Peter zusammen los. Man hat uns erzählt, das um 21 Uhr der Höhepunkt der Wallfahrt stattfindet. Die Jungfrauen-Statue wird aus der Kirche herausgetragen und an ihren eigentlichen Standort im Örtchen Aljarque zurück gebracht. Dass Spektakel würden wir uns gerne anschauen. Bei Ankunft im Pilgerwälchen zeigt sich der Platz deutlich belebter. Die Pilger sind unterwegs. In Kutschen, hoch zu Ross oder zu Fuß sind sie auf den staubigen Wegen unterwegs. Scheinbar ziellos fahren und reiten sie umher, statten den unterschiedlichen Zelten einen Besuch ab oder treffen sich vor der Kirche. In der Kirche werden die Blumensträuße, die man mittags hinein getragen hat, nun meistbietend versteigert. Für manches Gesteck werden dabei mehrere hundert Euro geboten. Vor der Kirche posieren derweil die Jugendlichen stolz auf ihren Pferden, lassen diese anmutig durch die Menge tänzeln oder galoppieren am Rande entlang. Die Familien sitzen derweil in Kutschen, die zumeist von Maultieren oder Eseln gezogen werden. Erneut fällt uns auf, dass viele Tiere von den Trensen, die teilweise Nasenriemen aus Gusseisen haben, offene Wunden und Scheuerstellen haben. Die geringe Wertschätzung und Aufmerksamkeit, die man den Tieren hier teilweise entgegen bringt, trübt das Bild vom guten, gläubigen Pilger leider sehr. Natürlich gibt es auch andere Beispiele von wohlgepflegten Tieren, aber ein Großteil würde bei einer tierärztlichen Überprüfung wohl eher durchfallen. Da wir augenscheinlich die einzigen Touristen sind und es keine „öffentlichen“ Getränkeanbieter gibt, fragt Barbara schließlich in einem der Bruderschaftszelte nach, ob wir etwas zu Trinken kaufen können. Kaufen können wir nichts, aber man gibt uns bereitwillig drei Getränke, die wir angesichts des Staubes, der überall in der Luft hängt, dankend annehmen und schnell wegtrinken. Nachdem in der Kirche gegen 21:30 Uhr endlich die letzten Blumen versteigert sind, hoffen wir auf baldigen Auszug der Jungfrau, werden aber enttäuscht. Die Versteigerung – wir wissen nicht von was – geht weiter. Nun aber werden Preise von über 1.000 Euro aufgerufen. Um 22 Uhr verlieren wir schließlich die Geduld und machen uns auf den Rückweg zur Marina. Insgesamt ein sicherlich sehenswertes Ereignis, bei dem man sich als Tourist allerdings recht verloren fühlt und dort anscheinend auch nichts zu suchen hat.

Die neue Woche startet, wie die alte geendet hat. Warm und sonnig. Auch wenn es nachts noch abkühlt, haben wir zum Frühstück bereits 25° C. Noch ganz angenehm, aber es wird noch heißer. Und es weht heute leider kein Windhauch. So machen wir uns schnell auf den Weg in die Innenstadt von Huelva. Ein kurzer Gang von 5 Minuten und wir sind mitten in der Fußgängerzone. Breite Einkaufsstraßen wechseln sich mit beschatteten Gassen ab. Es gibt auch hier wieder zahlreiche nette Geschäfte und Boutiquen. Und verschiedene Supermärkte. Wir stocken ein wenig Lebensmittel bei Carrefour und El Jamon auf und kehren dann schwitzend in die Marina zurück. Dort verabschieden wir uns leider erst einmal von Barbara und Peter, die nach Hause zurückfliegen. Auf das Wiedesehen freuen wir uns bereits jetzt! An Bord gibt es zum Mittag eine leckere andalusische Gaspacho. Fertig aus der Flasche. Einfach weggetrunken und schon ist man gesund gesättigt und gleichzeitig erfrischt. Tolle Erfindung! Anschließend Siesta. Bewegen mag man sich nicht wirklich. Nun gut, wir haben es ja nicht anders gewollt und wollen uns bestimmt nicht beschweren. Man muss einfach seinen Tagesablauf anpassen. Früh aufstehen, ab mittags Siesta, spät abends dann wieder aktiv werden. Siesta können wir schon ganz gut, am Rest arbeiten wir noch! Gegen 19 Uhr wird es etwas kühler, nur noch 31° C. Zeit für einen leckeren Reste-Salat. Anschließend kühlen wir im Frontcockpit weiter herunter und finden 30° C schon frisch. Man gewöhnt sich bekanntlich „an Allem“.

Ich verzichte jetzt mal lieber auf Wetterdetails in den Berichten, denn es bleibt weiterhin heiß und ich will mich hier ja nicht zu oft wiederholen. Aber mit maximal 41,7° C wird erst ein neuer Rekordwert für die Stadt Huelva gemessen. Später sind es in der Region Huelva sogar 46° C. Rekordwert für ganz Spanien seit den 60er Jahren! Die nächsten Tage laufen daher nach gleichem Schema ab. Wir kaufen morgens ein, schwitzend uns durch die Siesta und planen die nächsten Tage. Zwischendurch Putzen und Waschen, Kochen und Essen. Letzteres fällt angesichts des tollen Angebots auf dem Markt sehr lecker aus. Ob Runzelkartoffeln mit Avocado-Koriander-Mojo, Poisson Cru mit frischestem Blauflossenthunfisch, Tomatensalat oder Feigen mit Iberico Schinken. Zur Abwechslung geht es ab und an ins Marina Restaurant. Eigentlich eher ein Biergarten mit Kochcontainer, aber die Atmosphäre mit Blick auf die Marina ist nett und das Essen schmeckt ebenfalls. Für meinen Ausflug nach Deutschland wird ein Mietwagen organisiert, damit Axel mich nach Faro zum Flughafen bringen kann. Gar nicht so einfach, da es in Huelva nur wenige Anbieter gibt. Am Ende werden wir aber fündig und buchen direkt ein paar Tage früher, um noch ein wenig die Umgebung erkunden zu können. Schließlich gibt es hier im Hinterland ja auch noch eine Menge zu sehen.

Nachdem Barbara von der Cataleya eine WhatsApp Gruppe initiert hat, lernen wir auch die anderen Bewohner der Marina nach und nach kennen. Raffa, der Regattasegler, der sich um die Boote kümmert, wenn die Eigner nicht an Bord sind. Toby und Sam mit Tochter Meredith, die auf einem alten Holzboot von 1899 leben. Martin, aus Norwegen, der eigentlich seine Wurzeln irgendwo in der Karibik hat. Gaspar, der drahtige Spanier. Da die Marina noch nicht ausgelastet ist, sieht man sich entsprechend häufig und nutzt die Gelegenheiten für einen kurzen Schnack. Hinzu kommen die „Tagesgäste“, wie Jutta und Gregor von der My Way oder Karlheinz mit dem schnellen Trimaran Wilde Perle II, die nur kurz Zwischenstation in Huelva machen, bevor es für sie weitergeht. An sozialen Kontakte mangelt es in Huelva also zum Glück nicht. Und zu unserer großen Freude kommen außerdem Mansoor und Clarissa aus Vilamoura für einen Kurzbesuch bei uns vorbei und schauen sich mit uns ein wenig Huelva an. Ebenso wie wir, sind sie begeistert von der Markthalle mit ihrem phänomenalen Angebot.

Auch sonst bietet Huelva mit jedem Ausflug in die Stadt mehr. Step by step erkunden wir die Umgebung und entdecken jedesmal etwas neues. Mit den Fahrrädern geht es in die Marismas del Odiel. Flamingos gucken. Die Marismas sind Naturschutzpark und bieten nicht nur Flamingos einen idealen Lebensraum. Auch zahlreiche andere Vögel und viele Marschpflanzen sind zu sehen. Die Marismas sind durchzogen von Radwegen und so nutzen wir die Morgenstunden für einen Ausflug auf die andere Flußseite. Die Innenstadt mit ihrer beschatteten Fußgängerzone ist gefühlt größer und deutlich belebter als die Bremer Innenstadt. Es gibt tolle alte Gebäude, denen man den Reichtum der Erzabbauzeiten deutlich ansieht. Es gibt zahlreiche nette, kleine Boutiquen und ebenso viele kleine Cafés, die zum Verweilen einladen. Vielleicht sollte sich die Bremer Innenstadtentwickler hier einmal umschauen und anregen lassen? Das die reichen Zeiten auch hier schon eine Weile vorbei sind, sieht man allerdings auch. Penner und Bettler sind an ein paar Ecken zu sehen, einige Häuser bräuchten dringend eine Renovierung. Die Arbeiterviertel hinter der Innenstadt sehen teils arg verwahrlost aus. Trotz dieser negativen Seite lohnt Huelva aus unserer Sicht unbedingt einen Besuch, denn gegenüber den eher touristisch geprägten Städten wie Cadiz, Jerez oder Sevilla, bekommt man hier noch ein sehr authentisches Bild von Spanien geboten.

Aber, auch wenn uns Huelva sehr gut gefällt, müssen wir leider feststellen, dass die Marina wohl doch nicht den erhofften sicheren Winterliegeplatz für uns bietet. Nach Gesprächen mit anderen Liegeplatzinhabern, in denen von sehr viel Schwell und Schäden an den Booten berichtet wird, wollen wir uns für den Winter lieber nach einem anderen Liegeplatz umsehen. So fragen wir, wie im letzten Jahr, mal wieder Marinas an. Vilamoura steht dabei an erster Stelle, denn dort wissen wir, dass wir den Winter gut und sicher verbringen können. Aber auch andere Marinas schauen wir uns an. Einige davon auch im Mittelmeer. Ist ja nur kurz ums Eck von hier aus. Sehr genau schauen wir uns die Berichte anderer Segler an, wägen Sicherheit, Komfort und Versorgungsmöglichkeite ab und landen schließlich in – Vilamoura! Unser Liegeplatz vom letzten Winter ist noch frei und wir beißen in den sauren Apfel und buchen den teuren Liegeplatz. Von November bis Ende April sind werden wir nun wieder „Portugiesen“ und freuen uns auf den erneuten Aufenthalt. Insbesondere, weil wir diesmal nicht nur Mansoor und Clarissa bereits kennen, sondern weil auch unser Freund Guido mit seiner Playmobil am gleichen Steg liegen wird.

Bis Mitte September bleiben wir aber erst einmal in Huelva. Dann bummeln wir weiter…