Nachdem wir den Leihwagen abgegeben haben, hat uns der Alltag wieder zurück. Leider ist mein Fahrrad auf Nachfrage immer noch nicht wieder repariert und heile. Es fehlt ein Ersatzteil, welches wohl erst Ende des Monats geliefert wird. Sehr schade, denn zu gerne hätten wir in den nächsten Tagen ein paar Radtouren unternommen. Zunächst aber widmen wir uns den leidigen Hausarbeiten wie Wäsche waschen, Staubsaugen und Abwasch erledigen. Auch außen wird La Ola mal wieder fein abgewaschen und auf Hochglanz gebracht. Wat mutt, dat mutt! Der Saharastaib, der hier gefühlt dauernd aus Nordafrika herüberweht, setzt sich innerhalb kürzester Zeit in jede Ritze an Deck. Wenn man den nicht entfernen würde, könnte man in der angesammelten Erde vermutlich nach einiger Zeit Kartoffeln an Deck anbauen.
Am 16. Juli wird die Virgen del Carmen, eigentlich die heilige Jungfrau Maria vom Berg Carmel, in Andalusien groß gefeiert. Als Schutzheilige der Fischer und Seefahrer finden die Prozessionen zu ihrer Ehre teilweise mit Boote auf dem Wasser statt. In Huelva wird erst zwei Tage später gefeiert und die Heiligenfigur wird von der Kirche in der Innenstadt bis zum Muelle del Río Tinto und zurück getragen. Wir schauen uns die Prozession ein Stück weit mit an, denn Prozessionen gehören in Andalusien einfach mit zum Reiseprogramm. Zudem sind wir als streng abergläubische Seefahrer natürlich dazu verpflichtet jede, wirklich jede Möglichkeit mitzunehmen, bei der man eine wie auch immer geartete Obrigkeit um gutes Wetter, ruhige See und die berühmte Handbreit Wasser unter dem Kiel bitten kann. Machen wir natürlich auch direkt. Als Pirat darf man übrigens gerne auch noch den Wunsch nach Gold, Edelsteinen oder anderen Reichtümern anhängen. Und selbstverständlich werden wir in den nächsten Wochen auch abends immer wieder einen Blick in Richtung des Sternbildes Perseus werfen und auf die Erfüllung unserer Wünsche beim Anblick einer Sternschnuppe hoffen.
Zurück zur Prozession. Mit vielen Würdenträgern, Musik und Weihrauch geht es im Schneckentempo voran. Die riesige Heiligenfigur ist augenscheinlich ziemlich schwer und wird von etwa einem Dutzend kräftiger Männern getragen. Alle paar Meter werden die Träger ausgewechselt. So kommt vermutlich jeder Gläubige einmal die Ehre zugute die Jungfrau getragen zu haben und bei 30°C, die wir abends um 21 Uhr immer noch haben, reicht die Kraft wohl auch nicht für längere Strecken. Begleitet wird die Prozession von zahlreichen Gläubigen. Jeder der noch irgendwie laufen kann, geht ein paar Schritte mit. Irgendwann nach 22 Uhr kommt die Prozession dann an der Muelle del Río Tinto an und es gibt ein schönes Feuerwerk. Dummerweise muss die Jungfrau danach noch wieder zurück in die Kirche, wo sie nach Plan nach Mitternacht ankommen soll. Ein Video der Prozession findet Ihr übrigens bei Instagram
Apropos Muelle de Rio Tinto: Die ehemalige Verladepier der Minengesellschaft Rio Tinto ist ein Industriedenkmal und eines der historischen Wahrzeichen der Stadt Huelva. Von ihrem Bau im Jahr 1874 bis zu ihrer Schließung im Jahr 1975 galt sie als ein Meisterwerk der Technik. Es handelte sich nämlich um eine „Pier mit Schwerkraftverladung“. Das Schwerkraftsystem bestand darin, unterschiedliche Ein- und Abfahrtsgleise für Waggons so anzuordnen, dass die Einfahrtsgleise bis zu einem Scheitelpunkt ansteigen, von wo aus sie zum Ende des Piers abfallen. Mit einem Weichenwechsel, kehren die Waggons über die abwärts führenden Seitengleise zurück. Daher erfolgte die Entladung ohne mechanischen Antrieb, da die Waggons nur mithilfe der Schwerkraft angetrieben wurden. Klingt für mich nach einem Perpetuum Mobile! Nach der Verstaatlichung der Minen wurde die Brücke nicht mehr genutzt und verfiel zunehmend. Nachdem fast alle Holzteile verrottet waren, entschloss man sich die Brücke zu renovieren und 2007 für die Bürger zu öffnen. Seitdem ist sie allabendlich ein Ausflugsziel, da man von ihr aus die Marismas del Odiel und den Sonnenuntergang besonders gut sehen kann. Nach der Stilllegung wurde zudem ein Teil der Brücke über die darunter verlaufende Straße entfernt. Nach 50 Jahren hat man diesen Teil nun erneuert und seit ein paar Tagen ist die Brücke wieder in voller Länge vorhanden. Die feierliche Einweihung ist für Ende Juli geplant. An dem Wochenende finden in Huelva parallel die Fiestas Colombinas statt. Eine Art großes Volksfest, was wir uns vermutlich einmal anschauen werden. Wir müssen das Bauwerk natürlich einmal erklimmen und ablaufen. Nur das Timing für den Sonnenuntergang haben wir leider noch nicht drauf, aber dafür können wir den ja auch genauso gut von Bord aus betrachten.
Nach über drei Wochen kann ich dann auch endlich mein Fahrrad wieder bei Decathlon abholen. Nachbar Toby fährt mich freundlicherweise erneut hin und bringt mich und das reparierte eBike auch wieder zurück zur Marina. Der gesamte Motor wurde ausgetauscht und funktioniert nun wieder einwandfrei. Da noch unter Garantie, zum Glück auch ohne Kosten für mich. So geht es direkt am nächsten Tag zum Kolumbus-Monument an der Mündung des Rio Tinto in den Rio Odiel. Am Ufer entlang zieht sich ein schön angelegter Fuß- und Radweg über 6 km von der Marina del Odiel bis zum Monument. Der Künstlerin ist auch ein Denkmal gewidmet, welches erst in diesem Jahr eingeweiht wurde. Zurück geht es die gleiche Strecke, doch halten wir nicht in der Marina, sondern fahren noch ein Stückchen weiter bis zur Cantina del Puerto. Mit Blick auf den Odiel und die Muelle Tharsis, die ebenfalls für den Erztransport genutzt wurde, genießen wir ein kühles Getränk und ein paar Tapas.
Ein weiterer morgendlicher Radausflug führt uns erneut auf die andere Flußseite in die Marismas del Odiel. Diesmal fahren wir an den Salinen entlang bis zur Puente del Burro. Auf dem Weg halten wir kurz am Besucherzentrum Anastasio Senra und beobachten vom Pavillon an der Isla de Enmedio die unzähligen Flamingos. Zu weit entfernt und kaum auszumachen, steht ein Adlerhorst und mit scharfem Blick kann man sogar die beiden Fischadler sehen. Da muss wohl beim nächsten Mal die gute Kamera mit dem dicken Teleobjektiv mit, um bessere Fotos zu bekommen.
Wir steigern unsere Raddistanzen dabei Step by Step und fahren immer längere Touren. So geht es als nächstes über 35 km den Odiel flußaufwärts entland bis nach Gibraleón und zurück. Klingt für den geneigten eBike oder Radrennfahrer vielleicht nicht ganz so spektakulär, aber wir radeln meistens ohne Elektrounterstützung und ich bin die letzten 30 Jahre nahezu nie Rad gefahren. Die Strecke nach Gibraleón ist schön abwechslungsreich und führt uns über eine Brücke über den Oberlauf des Odiel, der uns mit einer kräftig grünen Farbe beeindruckt. Die Fahrrad strecke ist größtenteils sehr gut ausgebaut und führt meist fernab der Straße am Naturpark entlang. So macht Raddfahren richtig Spaß und wir stehen gerne etwas früher dafür auf. Ab 12 Uhr herrschen nämlich mal wieder über 30° C und wir verziehen uns lieber wieder ins schattig Cockpit.
Inzwischen haben wir auch die Weiterreise geplant. Bis Mitte August haben wir den Liegeplatz in Huelva, danach geht es raus aus dem Río Odiel und wieder nach Westen. Wir hoffen ein paar schöne Tage vor Anker verbringen zu können, bevor wir ab dem 20. August dann einen Liegeplatz in Olhão in Portugal haben. Von dort aus fliegt Axel ein paar Tage nach Deutschland. Ich darf mich in der Zeit mit vielen frischen Zutaten aus den unmittelbar an der Marina liegenden Markthallen versorgen. Zum Glück muss ich die Tage ohne Axel nicht einsam vor mich hin darben, sondern kann die Zeit zusammen mit meiner „kleinen“ Nichte Svea verbringen. Es wird also eine spannende Zeit werden! Nachdem Svea wieder in Deutschland zurück und Axel wieder an Bord ist, werden wir zwischen Portugal und Spanien ein wenig hin- und hersegeln und hoffentlich viel Ankern und Baden können. Wohin genau es geht, entscheiden Wind und Wetter. Ab 1. November sind wir dann wieder für die Winterzeit in Vilamoura eingebucht.
Damit die bevorstehenden Tage vor Anker gut verbracht werden können, mieten wir noch einmal für zwei Tage ein Auto. So lassen sich schwere Dinge, wie Getränke und Katzenfutter für die nächsten Wochen doch einfacher einkaufen. Bei Carrefour kaufen wir zudem nahezu den gesamten Bestand an alkoholfreiem Weizenbier auf. Bei der Hitze einfach das beste Geteänk zum Durstlöschen! Den zweiten Miettag nutzen wir dann noch einmal für einen Ausflug ins Hinterland. Nachdem die Temperaturen inzwischen etwas kühler sind, also nur noch 30°C, wollen wir noch einmal nach Aracena und zu den Rio Tinto Minen. Bei frischen 22°C geht es morgens um 8 Uhr los in Richtung Norden. Wie zuvor fahren wir langsam aber stetig bergan, bis wir die Rio Tinto Minen erreichen. Diesmal biegen wir in ein älteres, nicht mehr in Betrieb befindliches Abbaugebiet ab. Riesige Abraumhalden türmen sich hier wie Berge in die Höhe. Vorbei geht es an alten Fördertürmen und auf kurvigen Straßen, bis wir die Quelle des Rio Tinto erreichen. Ein kleiner Bachlauf, den wir von oben vom Steilhang aus betrachten können. Der Weg nach unten scheint beim letzten Regen weggespült worden zu sein. Trotzdem strahlt der Rio Tinto mit einem leuchtenden Rot, durchzogen von schwefelgelben Schlieren. Weiter geht es vorbei an einem Museum in einem stillgelegten Bergwerk. Unser Ziel ist ein Aussichtspunkt etwas oberhalb, doch unser Google-Navi überschätzt entweder die Geländegängigkeit unseres Leihwagens oder hat verpasst, dass es uns auf einen Wanderweg geschickt hat. Die Schotterpiste ist jedenfall nichts für uns und so kehren wir unverrichteter Dinge wieder um. Google-Maps meint es weiterhin sportlich mit uns und schickt uns über die Landstraße HV-5011 in Richtung Aracena. Einspurig schlängelt sie sich in engen Serpentinen erst den Berg hinauf und dann wieder hinunter. Nur gut, dass uns außer einem Wanderer und einem Radfahrer niemand entgegen kommt! Die nervenzerreißende Fahrt wird mit tollen Aussichten und einer wunderschönen Landschaft belohnt.
Schließlich erreichen wir Aracena und gönnen uns erst einmal ein kühles Getränk und ein wenig Schinken in einem der zahlreichen Restaurants. Dann geht es zur Gruta de las Maravillas, der Grotte der Wunder. Sie liegt mitten im Stadtzentrum und ist aufgrund der Vielfalt und des Reichtums ihrer Formationen eine der meistbesuchten Höhlen Spaniens. Wir haben eine Führung vorgebucht und werden pünktlich um 12:30 Uhr eingelassen. Sehr zu meinem Leidwesen ist das Fotografieren in der Höhle streng verboten. Dumm, denn ich habe diesmal extra die gute Spiegelreflexkamera mit dabei. Nun denn… Wir werden von einem freundlichen, aber leider nur spanisch sprechenden Dame innerhalb von knapp 45 min. durch die Tropfsteinhöhle gefüht. Sie wurde 1850 bei Bergbauarbeiten entdeckt und ist seit 1914 für die Öffentlichkeit zugängig. Etwa 1,2 km geht es durch verschiedene Höhlen, in denen wir zahllosen Stalagtiten (von oben hängend) und Stalagmiten (von unten hochwachsend) sehen können. Imposant ist der Große Saal, der eine Höhe von 50 m hat und einen glasklaren See hat, aus dem man das gut gefilterte Wasser durchaus trinken könnte. Wir sind begeistert von den vielfältigen geologischen Formationen und können einen Besuch hier nur empfehlen. Entgegen unserer Annahme, dass es unter der Erde mit 16-19°C angenehm erfrischend sei, kommen wir allerdings schweißgebadet wieder ans Tageslicht. Nicht nur, weil zahlreiche Treppenstufen zu bewältigen waren, sondern vor allen Dingen die superhohe Luftfeuchtigkeit von 98% führen dazu. Zudem sind die Gänge nicht unbedingt auf norddeutsche Körpergrößen ausgelegt und so müssen wir viele Passagen gebückt zurücklegen. Wieder in der Sonne angekommen, geht es auch schon direkt weiter. Wir fahren in die Hauptstadt des Schinkens, nach Jabugo. Dummerweise kommen wir mal wieder genau zur Mittagspause an, so dass nahezu alle Geschäfte geschlossen sind. Zum Glück erwischen wir noch einen offenen Laden und können dort unsere Jamon Jabugo Bordvorräte wieder etwas auffüllen. Schließlich geht es wieder zurück nach Huelva, wo wir am Nachmittag pünktlich für eine kleine Siesta und ein Eis an Bord ankommen.
Nachdem am Mittwoch ein kaum zu überhörendes „F*ck, F*ck, F*ck“ von unseren Nachbarn auf der Carlotta zu uns herüberschallt, heißt es spontan unsere Tauchsachen klar zu machen. Sam ist beim Kalfatern des Rumpfes ihr brandneues iPhone ins Wasser gefallen und Toby versucht, nach meinem Hinweis, dass ein iPhone ja durchaus eine Weile wasserdicht ist, danach zu Tauchen. Erst ohne Equipment, dann mit unseren Tauchsachen. Aber bei einsetzendem Tidenstrom und schlechter Sicht ist bei Hochwasser nichts machbar. Am nächsten Tag versucht Toby es erneut bei Niedrigwasser und wird tatsächlich fündig. Und – das iPhone funktioniert noch. Der Tag ist gerettet!
Für weitere Unterhaltung ist in Huelva auch gesorgt. Jedes Jahr Ende Juli/Anfang August finden in Huelva die Fiestas Colombinas statt und wir sind quasi mittendrin statt nur dabei. Hier ein paar Infos zu diesem andalusischen Volksfest: Mit den Fiestas soll verschiedenen historischen Ereignissen im Rahmen der Entdeckung von Amerika gedacht werden. Der 3. August ist bei dem einwöchigen Fest der wichtigste Tag, an dem der Aufbruch der Expedition von Kolumbus von Palos de la Frontera nach Amerika im Jahr 1492 gefeiert wird. Der Zugang zum Gelände erfolgt über ein Tor, das ein bedeutendes Gebäude der Stadt oder der Provinz imitiert. In diesem Jahr ist es die Gebäudefassade des Centro de Instrucción Comercial. Das Gelände umfasst 130.000 Quadratmeter für über hundert Festzelte, die frei zugänglich und kostenlos sind. Vor dem eigentlichen Beginn am 30. Juli, gibt es den inoffiziellen Start mit einem Beleuchtungstest am Vorabend. Und natürlich darf ein Feuerwerk in Spanien zu solchen Anlässen nicht fehlen. Und weil es so schön ist, gibt es direkt zwei Feuerwerke zu bestaunen. Eines zur offiziellen Eröffnung am 30. Juli und eines am 4. August. Damit nicht genug! Am 3. August gibt es zusätzlich noch eine Drohnenshow zu sehen. Last, but not least: es werden ca. 600k Besucher erwartet. Es könnte also voll werden! Wobei Massenveranstaltungen ja so gar nicht so unser Ding sind. Erschwerend kommt hinzu, dass die Veranstaltung erst abends um 22 Uhr anfängt. Da liegen wir ja normalerweise schon fast in den Kojen. So können wir uns nicht zu einem Besuch aufraffen, sondern betrachten nur aus der Ferne die pyro- und drohnentechnischen Darbietungen. Für die Feuerwerke und die Drohnenshow haben wir auf unserer Dachterrasse in der Marina del Odiel nämlich den besten Logenplatz. Und damit wir es dort auch bequem haben, haben wir kräftig investiert und uns zwei Fatboy Sitzsäcke gekauft. Megabequem! Auch ohne Feuerwerk lässt sich hier ein schöner Sundowner in der Abendsonne genießen.
Ein prima Abschluß für unseren Aufenthalt in Huelva. Die Zeit in der Marina del Odiel hat uns gut gefallen. Huelva ist auf jeden Fall einen Besuch wert und wir hoffen, dass wir uns in ein paar Jahren die fertig gebaute Marina in der Endstufe anschauen können. Aber nun geht es mal wieder weiter für uns.