Brest – Morgat 22,8 sm
Die Sonne scheint! Aber frisch ist es trotzdem. Die Heizung läuft zum Frühstück und Axel klariert das Boot auf, während ich vormittags ins Bordbüro verschwinde. Dann geht es endlich wieder los. Wir lösen die Leinen und verlassen nach 10 Tagen Brest. Ingesamt herrscht große Aufbruchstimmung. Schon frühmorgens haben die ersten Yachten abgelegt und sich auf den Weg nach Südwesten gemacht. Wir wollen weiterhin nur ums Eck und nicht den großen Sprung über die Biskaya wagen. Zwar ist auf der Biskaya selbst ruhiges Wetter angesagt, aber für die Ankunft in A Coruña sind 25 kn Wind aus Osten angesagt. Aufgrund der Orcas wird empfohlen, A Coruña von Nordwesten anzulaufen. Wir hätten also die 25 kn auf die Nase und müssten uns gegen die 2-3 m Wellen gegenan arbeiten. Da haben wir keine Lust drauf. Zudem halten wir das Risiko, dass uns auf dem letzten Stück ein Orca das Ruder anknabbert durchaus für relevant und ohne Ruder oder manövrierunfähig eine felsige Küste anzulaufen, müssen wir ebenfalls nicht haben.
Also geht es heute erst einmal ein kleines Stückchen weiter. Wir verlassen Brest gegen Mittag und motoren mal wieder angesichts des nicht vorhandenen Windes. An Camaret sur Mer vorbei geht es die beeindruckende Küste entlang. Wir passieren den Pointe de Toulinguet mit dem Felsenbogen, fahren am Pointe de Pen‘hir vorbei und biegen am Cap de la Chevre in die Bucht von Douarnenez ein. Bei leicht auffrischendem Wind können wir sogar die Genua als Unterstützung setzen und erreichen so ganz gemütlich um 16 Uhr die Ankerbucht von Morgat. Der Anker fällt mit Blick auf den Pointe des Grottes, auf dem eine herrschaftliche Villa krönt. Der Badeort Morgat wurde als Feriensiedlung vom Industriellen Peugeot entwickelt und so finden sich hier einiger Herrenhäuser und alte Hotelkomplexe. Wir genießen heute erst einmal den Blick von See auf das Örtchen und holen unseren Kumpel Jens von der Marieke mit dem Dinghy für ein Ankerbierchen und anschließendes Grillen ab. Abends „treffen“ wir uns zudem per Videocall mit unseren Freunden Andrea und Pit. Schön, dass man auf diese Weise die Verbindung zur Heimat nicht verliert! Der Abend wird gekrönt durch eine Gruppe Wale (keine Orcas!) am Horizont und einem wunderschönen Sonnenuntergang.
In der Nacht wird es unruhig am Ankerplatz. Der Wind hat gedreht und La Ola liegt plötzlich quer zur Welle. Obwohl der Wind immer noch sehr leicht ist, hat sich in der Bucht ein ekeliger Schwell ausgebreitet, der die Ankerlieger tanzen lässt. Es klappert, quietscht und wackelt. Erst einmal wach, fällt es schwer wieder einzuschlafen. Dafür bietet sich die Gelegenheit einen dicken Mond hinter uns untergehen zu sehen und einen großartigen Sternenhimmel zu beobachten. Irgendwann wird es wieder ruhiger und wir schlafen, bis wir von der anspringenden Heizung geweckt werden. Die Sonne scheint ebenfalls bereits und es verspricht ein schöner Tag zu werden. Ideal für einen Landausflug. Und so geht es dann nach einem leckeren Frühstück mit der Gummisau los. Wir holen Jens ab und fahren gemeinsam in die Marina von Morgat. Dort gibt es einen kostenlosen Dinghysteg und eine einfache Möglichkeit anzulanden. Von der Marina laufen wir die Strandpromenade entlang in Richtung Ortszentrum. In Morgat findet heute ein Sportwettbewerb mit Laufen und Schwimmen statt und entsprechend viele Menschen sind unterwegs. Wir laufen daher ein wenig abseits der Hauptstraße und entdecken viele sehr nette Ecken. Zurück im Zentrum kehren wir im Biergarten La Guinguette du Toul Boss ein und genießen neben einem kühlen Bier auch eine riesengroße Platte mit Käse und Wurstaufschnitt. Herrlich! Anschließend geht es zum U-Express Supermarkt, wo wir ein paar Lebensmittel erstehen. Zurück an Bord wird erst einmal Siesta gehalten. Dann setzen Axel und ich unser Großsegel und schauen, ob alles richtig läuft. Axel hat nämlich noch ein paar Veränderungen am Reffsystem vorgenommen, die aber auch alle gut passen. Das Segel, welches bei unserer Überführung von Falmouth nach Cuxhaven kaum bedienbar war, läuft inzwischen super leichtgängig und lässt sich sehr gut setzen und auch wieder bergen. Was so ein wenig Pflege und Teflonspray doch ausmachen können. Hinter unserem Heck schwimmen derweil die Sportler lang und vor uns ist die Segelschule fleißig beim Training. Sowohl Segellehrer als auch Segelschüler verpassen es bei der Vorbeifahrt nicht, uns zu sagen, was für ein tolles Boot wir haben! Sehr nett die Franzosen, insbesondere dass sie dies auch noch auf Deutsch sagen! Am späten Nachmittag holt Axel noch einmal Jens bei der Marieke ab und wir genießen nach einem Sundowner im Cockpit mal wieder Galettes zusammen. Die weiteren Törnpläne werden besprochen und der Blick in den aktuellen Wetterbericht darf natürlich auch nicht fehlen. Aktuell sieht es gut aus und wir hoffen, in ein paar Tagen den Weg über die Biskaya antreten zu können.
(Foto: Jens Rabenstein)
Morgat – Sainte-Evette 26,3 sm
Auch heute fängte es wieder mitten in der Nacht an unruhig zu werden. Zum Glück nicht ganz so schlimm wie gestern, aber trotzdem so, dass man aufwacht. Auch sonst ist der Morgen eine Blaupause des gestrigen Tages. Heizung an, Sonne da und leckeres Frühstück. Axel holt Jens ab und die beiden gehen nochmal einkaufen. Heute Abend ist nämlich Pizza-Abend auf der Marieke! Ich bleibe an Bord, erledigen den Abwasch, räume auf und unterhalte den Kater. Ein Franzose kommt mit seinen beiden kleinen Kindern vorbeigepaddelt, nur um mir zu sagen, wie toll sie unser Boot finden. Erst auf französisch, dann in perfekten Englisch. Das Vorurteil, dass Franzosen nur Französisch sprechen und kein Englisch sprechen (wollen), kann ich überhaupt nicht bestätigen. Fast überall wechselt man problemlos ins Englische, wenn wir auf fransösisch erklären, dass wir diese Sprache leider nicht beherrschen. Nachdem die Jungs wieder da sind, geht ganz gemütlich der Anker auf und wir machen uns auf dem Weg zum nächsten Kap und dem Raz de Sein. Das Raz (gesprochen Raah) ist eine Meerenge zwischen Festland und der Insel Sein, durch die es ordentlich durchströmt. Bei schlechtem Wetter und Wind gegen Strom ist eine Passage dringend abgeraten. Heute ist es jedoch nahezu windstill und wir haben bei der Passage keinerlei Probleme. Am Point du Raz biegen wir nach Südosten ab und fahren weiter die Küste entlang. Diese verändert sich, wirkt weniger schroff und sanft hügelig. Am Nachmittag erreichen wir schließlich die Buch von Audierne und gehen vor dem langen Strand von Sainte-Evette vor Anker. Dummerweise ist der Ankerplatz recht unruhig und die Boote tanzen auf den Wellen. Wir hoffen daher inständig, dass der Wetterbericht recht behält und der Wind dreht und die Wellen nachlassen. Alternativen gibt es ansonsten nämlich leider erst in 35 bis 40 sm. Gegen 18 Uhr begeben wir uns ins Schlauchboot und fahren zu Jens und der Marieke hinüber. Dort riecht es an Bord bereits verheißungsvoll, den Jens hat den Ofen schon mal vorgeheizt. Dank Edelstahlplatte schafft sein Force 10 Ofen satte 400°C – ideal für eine knusprige Pizza! Die gibt es dann auch in verschiedenen Varianten und wir verlassen am späten Abend satt und sehr zufrieden unser Buddy-Boot. Zum Glück behält die Wetterprognose recht und wir Ankern in einem Spiegelsee. Eine schöne Abendstimmung mit untergehender Sonne und aufgehendem Spiegelmond – was will man mehr?
Sainte-Evette – Cap-Coz 37,6 sm
Angesichts der fortgeschrittenen Jahreszeit findet der bereits geübte Pyjamastart immer später statt. Erst gegen 8 Uhr ist es hell genug, dass wir den Anker lichten und losfahren können und wollen. Bei Null Wind geht es unter Motor weiter in Richtung Südosten. Das Aufstehen wird heute belohnt von einer riesigen Delfinschule. Die gesamte Bucht scheint vor Delfinen zu wimmeln, die augenscheinlich auf der Jagd sind. Das Wasser brodelt und wir bekommen unzählige Sprünge vorgeführt. Toll!!! Aber leider nicht aufs Foto zu bannen. Schließlich erreichen wir am frühen Nachmittag die Bucht von Concarneau und gehen vor der Plage du Cap-Coz vor Anker. Leider gibt es in den Marinas von Concarneau und Forêt keinen Platz für uns, wobei es uns vor Anker auch tatsächlich besser gefällt. Wir genießen heute mal einen ruhigen Nachmittag und Abend an Bord und freuen uns, dass der Wetterbericht unverändert so aussieht, als ob wir zur Wochenmitte endlich über die Biskaya starten könnten. Die Berichte der Segler, die vor ein paar Tagen losgesegelt sind, haben unsere Entscheidung noch zu warten, jedenfalls deutlich bestätigt. Von 30 kn Wind und 5 m hohen Wellen war die Rede! Abends kocht Axel lecker Bandnudeln mit Lachs und wir sind mal wieder sehr zufrieden mit unserem neuen Leben.
In der Nacht nimmt der Wind zu, doch La Ola bleibt meistenteils recht ruhig liegen. Trotzdem werde ich natürlich wach und kontrolliere mit Blick aus meiner kleinen Achterluke, ob noch alles in Ordnung ist. Ist es und so schlafe ich weiter bis die Sonne uns wieder weckt. Die Heizung läuft auch wieder, obwohl es tatsächlich wieder etwas wärmer geworden ist. Früchstück für Lucky und Kaffee für mich. Axel studiert derweil noch ein wenig die weltpolitische Lage von der Koje aus. Nach dem Frühstück begebe ich mich mal wieder an die Arbeit. Später fährt Axel mit Jens an Land und erledigt Einkäufe, während ich das Schiffsinnere putze. Auf kleinem Raum sammelt sich irgendwie gefühlt viel schneller und viel mehr Dreck und Staub an. Dazu kommen natürlich Katzenhaare von Lucky. Zum Glück ist das Staubsaugen aber auch schnell erledigt. Anschließend wird im Cockpit weitergearbeitet. Axel kommt schwer bepackt vom Einkaufen wieder und stellt fest, dass er Avocados für das Abendessen vergessen hat. Da das Örtchen aber auch sehr nett sein soll, machen wir uns einfach nochmal gemeinsam auf den Weg. La Forêt-Fouesnant gefällt uns in der Tat sehr gut und das sommerliche Wetter passt auch für den Ausflug. Zurück an Bord wird noch ein wenig gechillt, bevor wir Jens zum Abendessen abholen. Gemeinsam schauen wir auf die Wetterkarte und beschließen am nächsten Morgen endlich loszufahren.
Cap-Coz – A Coruña 370,3 sm
Die Reise startet mal ausnahmsweise nicht mit einem Pyjamastart! Bei 360 sm Distanz, ist es nicht ganz sooo wichtig, wann man losfährt. Umso wichtiger ist es, gestärkt so einen harten Seeschlag anzugehen! Also frühstücken wir erst einmal gemütlich mit frischem Baguette und Ei. Danach wird aufgeklart, seesicher verpackt und alles vorbereitet. Kurz vor 10 Uhr sind wir soweit und der Anker geht auf. Wir setzen das Großsegel und dann geht es raus auf die Biskaya. Wir passieren drei Renntrimarane, die mit knapp 30 kn Geschwindigkeit wohl deutlich schneller in La Coruña ankommen würden. Dafür ist es bei uns umso bequemer. Nun ja, zu mindest am Anfang. Je weiter wir von Land entfernt sind, desto schaukeliger wird es. Die See läuft konfus und der Wind reicht nicht, um das Segel zu füllen. Es schlägt und klappert in jeder Welle, also bergen wir es irgendwann wieder. Die Motoren laufen weiter und bringen uns Meile um Meile weiter. Bereits nach wenigen Seemeilen gesellen sich Weißseitendelfine zu uns. Im Gegensatz zu den relativ kurzen Shows bisher, geht es heute endlos weiter. Den ganzen Tage begleiten sie uns und spielen um unsere Buge. Toll!!! Zum Abendessen bereiten wir uns einen leckeren Thunfisch-Reis-Salat. Einfach gemacht und immer wieder lecker. Die Sonne verabschiedet sich mit einem schicken Rot vor uns, wenig später geht der volle Mond hinter uns auf und begleitet uns durch die Nacht. Wir haben kein festes Wachsystem, sondern wechseln uns ab, wenn einer von uns müde wird. Axel startet und ich lege mich in den Salon in Rufreichweite.
Um kurz vor 1 Uhr weckt mich Axel zur Wachübergabe. Den Moment nutzt auch Kater Lucky, um aus der Versenkung aufzutauchen. Den ganzen Tag hat er gemütlich in seiner Vorschiffskabine in seinem Piranha-Körbchen geschlafen. Nun taucht er laut miauend auf. Und lässt sich kaum beruhigen. Erst als ich draußen am Steuerstand sitze, wird er ruhiger und setzt sich zu mir. Gemeinsam sitzen wir auf der Steuerbank und gehen Wache! Nun ja, ich gehe Wache und Lucky liegt Schnorche. Er macht es sich zwischen meinen Beinen gemütlich und schnurrt selig vor sich hin. Erstaunlich! Nach drei Stunden wird Lucky wieder munter und wir wecken gemeinsam Axel. Der übernimmt am Steuerstand, während Lucky und ich aufs Salonpolster wechseln. Während ich innerhalb weniger Minuten eingeschlafen bin, wird Lucky jetzt erst so richtig wach. Dumm nur, dass er mich unter der Bettdecke als Spielobjekt ausmacht. Nun ja, Schlaf wird eh überschätzt… Irgenwann hat Lucky ausgespielt und kuschelt sich an mich. Herrlich gemütlich! Dumm nur, dass nun Axel kommt und von seiner Wache abgelöst werden möchte. Also wieder raus aus den Federn und rauf auf die Steuerbank. Lucky folgt mir und wir verbringen auch die nächste Wache gemeinsam. Der Morgen dämmert heran und die Sonne taucht wieder auf. Wenig später taucht auch Axel auf und bereitet uns ein wenig Baguette zum Frühstück. Der Tag beginnt nicht ganz so sonnig, aber dennoch schön. Unsere Delfinbegleitung hat uns verlassen, dafür haben wir Begleitung von einem kleinen Vögelchen, zwei Schmetterlingen und einer Biene. Die Wellen schaukeln uns weiter etwas unsanft durch den Ozean. Kreuz und quer laufen die Wellen. Nicht schön, aber erträglich. Angesichts der Orcas bleibt unser Blick wachsam auf die See gerichtet und der Puls geht ein wenig hoch, als ich etwa eine halbe Seemeile neben uns Blas sehe. Der ist mit mindestens 5 m allerdings so hoch, dass es sich definitiv nicht um einen Orca handeln kann, sondern eher um einen Bartenwal. Ich tippe mal auf Finwal, angesichts der Blasform und des flachen Eintauchens. Der Tag vergeht ansonsten ohne besondere Vorkommnisse. Wir können irgendwann die Genua setzen und kommen gut voran. Abends gibt es die Reste vom Thunfisch-Reis-Salat. Zum Kochen haben wir heute keine Lust.
Die Nachtwache beginnt ähnlich wie in der letzten Nacht. Axel startet und ich übernehme gegen Mitternacht. Lucky ist auch wieder mit von der Partie und meldet sich erneut lautstark miauend. Also gemeinsam rauf auf die Steuerbank und aufgepasst. Dort verschläft Lucky zwar wieder den größten Teil der Wache, aber ich finde es trotzdem gut, dass ich nicht ganz alleine in die Nacht starren muss. Und meine Füße werden auch noch fein von ihm gewärmt. Im Vergleich zur ersten Nacht ist heute allerdings mehr los. Ein paar Frachter kreuzen unseren Weg und als ich wieder an Axel übergebe tauchen die ersten Fisscherboote auf dem Radar auf. Die halten Axel dann nicht nur gut auf Trab, da er ihnen ständig ausweichen muss. Sie sorgen auch für ein unsanftes Erwachen, denn einer ändert seine Route so dermaßen unvorhersehbar, dass wir seinem Netz gefährlich nahe kommen und er uns anfunkt. Wir bergen die Genua und ändern schleunigst den Kurs. Mit Blick auf Radar und AIS beschließen wir einen weiten Bogen um das Fischgebiet zu machen. So entfernen wir uns leider erst einmal wieder von der spanischen Küste. Kein gutes Gefühl, wenn man eigentlich gerne schnell ankommen möchte. Die Sonne geht heute nicht ganz so schön auf. Der Himmel ist bewölkt und es ist stark diesig. Bei erneuter Annäherung an die galizische Küste kommt dann auch noch dicker Seenebel auf. Müssen wir jetzt eigentlich auch nicht mehr haben! Wir starren zu zweit aufs Wasser und fahren nach Radar. Ein paar kleinen Fischern gilt es auch jetzt noch auszuweichen. Hinzu kommmt, dass wir nun die Orca-Alley passieren. Auf ihrem Weg entlang der portugisischen und spanischen Küste entlang folgen die Orcas den großen Thunfischschwärmen. Ihren Weg kreuzen soll man daher auf kürzestem Weg und möglichst schnell. Parallel zu ihrem Weg soll man nur in Wassertiefen von weniger als 20 m oder mehr als 500 m fahren. Wenn die Orcas nämlich gerade nicht mit Thunfisch fressen beschäftigt sind, attackieren sie gerne die Boote, die in ihrer Nähe sind und knabbern ihre Ruder an. Aktuell – daher auch die riesige Fischfangflotte – ist die Hauptsaison für Orcas in der Biskaya und an der galizischen Küste. Es gilt also doppelt und dreifach aufmerksam zu sein! Wenn man merkt, dass Orcas in der Nähe sind, gibt es empfohlene Standardprozeduren, denen man folgen sollte. So gilt es als erstes den Autopiloten auszuschalten. Attackiert ein Orca in das Ruder droht bei eingekuppeltem Autopiloten ansonsten nämlich, dass das Steuerseil von der Rolle geht oder durch den immensen Druck gar reißt. Dann wäre das Boot manövrierunfähig. Als nächstes soll man möglichst schnell von den Orcas wegmotoren, daher sollte auch der Motor standby sein, also bereits laufen. Da wir glauben, dass bei unserem Unterwasserschiff, wo die Schraube hinter dem Ruderblatt angebaut ist, kein Orca dumm genug wäre bei laufendem Propeller ins Ruderblatt zu beißen, sind wir über die Biskaya motorgesegelt. Trotzdem, eine gewisse Angst und Unsicherheit bleibt. Erfreulicherweise klart es irgendwann auf und der Wind schläft komplet ein. Wir fahren durch eine ölig-wirkende See, die von einer langen Dünung träge bewegt wird. Ideal, um Orcas früzeitig zu sehen. Und dann sind sie tatsächlich da! Schnittige Rückenfinnen jagen auf uns zu. Wir reagieren, wie empfohlen. Autopilot aus und Kurs geändert. Motoren tun wir ja eh schon. Doch bei Annäherung wird schnell klar, dass dies keine Orcas sind, sondern nur die freundlichen Weißseitendelfine. Puh! Also Autopilot wieder an und auf Kurs A Coruña zurückgegangen. Wenig später dann erneuter Alarm. Rechts von uns zeigt sich Blas und eine schwarze Rückenfinne erscheint. Definitiv ein Wal. Also, Manöver wiederholt, wobei wir diesmal auf Kurs bleiben. Je näher die Rückenfinne kommt, desto klarer ist, dass wir es hier wahrscheinlich mit einem harmlosen Minkewal zu tun haben. Also erneute Entwarnung. Die Natur hält uns auch danach weiter auf Trab. Jedes Mal sind wir alarmiert und zum Glück sind es jedes Mal keine Orcas. Es besuchen uns Große Tümmler, Pilotwale und immer wieder Weißseitendelfine. Zudem ist das Meer stellenweis überzogen von Massen an Portugiesischen Galeeren, einer sehr giftigen Quallenart. Irgendwann am späten Nachmittag, wir zweifeln schon langsam an unseren Navigationskünsten, taucht dann schließlich die imposante galizische Steilküste vor uns aus dem Dunst auf. Die letzten 5 Meilen bleiben spannend, da in diesem Gebiet bereits einige Orcaangriffe erfolgten. Erst als wir kurz vor A Coruña von Weißseitendelfinen in Empfang genommen werden, lässt die Anspannung langsam nach. Wir laufen in die Marina Club Real Nautico ein und bekommen einen schönen Liegeplatz an Steg 7 zugewiesen. Was für ein Trip! Auf den letzten Tag mit irre Iwan fahrenden Fischfangflotten, Nebel und Orca-Imitatoren hätten wir gut verzichten können! Trotzdem war es eine gute Überfahrt! Insbesondere – und dass wollen wir trotz Orca-Problematik nicht vergessen – sind wir mit tollen Meeressäugererlebnissen belohnt worden. Noch nie wurden wir so ausdauernd über einen ganzen Tag von Delfinen begleitet. Noch nie haben wir derart viele unterschiedliche Wale und Delfine in einem so kurzen Zeitraum gesehen. Alleine dafür hat sich die Überfahrt schon gelohnt. Die nächsten Tage werden wir nun A Coruña erkunden und dann die spanische Küste entlang in Richtung Portugal segeln.